Montag, 8. November 2010

Die Informationsveranstaltung oder der Asbest-GAU III

So. Das war sie nun, die Informationsveranstaltung zu den Themen Asbest und die Schließung der Bibliothek der Universität Konstanz. Anbei findet der Leser eine kurze Zusammenfassung der Informationen, sowie der gestellten Fragen, samt Antworten.
Ich gebe den Inhalt der Veranstaltung nach bestem Wissen und Gewissen wieder, kann hierfür aber keine Gewähr übernehmen. Meine eigene Auffassung und Kommentare sind als solche (in Klammern und/oder kursiv) ersichtlich:




Prof. Dr. Ulrich Rüdiger (Rektor der Universität Konstanz):
Herr Rüdiger stellte eine kurze Chronologie der Ereignisse an den Anfang seiner Ausführungen:
Am 28.10 seien bei Sanierungsarbeiten an den Belüftungsklappen erste Anzeichen einer Asbestbelastung gefunden worden. Daraufhin habe man eine Spezialfirma –die Firma Geopro GmbH- beauftragt, welche die Raumluft und einige Stellen in der Bib auf eine Asbestbelastung untersucht habe.
Am 5.11. um 10:30 Uhr sollen die Messergebnisse vorgelegen haben, eine Asbestbelastung sei in Kontaktproben festgestellt worden, nicht jedoch in der Raumluft. Bei dem gefundenen Asbest handle es sich nicht um das gleiche Asbest, das bei den Belüftungsklappen verbaut worden sei. Daraufhin habe man die Einsetzung eines Krisenstabes veranlasst, der für Pandemie, Amok... oder eben... Asbest in der Bib zuständig sei.

Man habe auf eine frühzeitige Informierung der Öffentlichkeit verzichtet um zu verhindern, dass möglicherweise kurzfristig 150.000 (potentiell belastete?) Bücher ausgeliehen werden.

Viele Fragen können derzeit noch nicht beantwortet werden. Der Krisenstab tage erst heute Nachmittag um 12:30 Uhr wieder, ließ Herr Rüdiger wissen.
Es müsse voraussichtlich der komplette Buchbestand (also ca. 2,5 Millionen Bücher) gereinigt werden. Diese müssten dazu einzeln in die Hand genommen werden.

Wie das mit den Klausuren sei, müsse man sehen.
Auf den Titel beste Bib des Jahres sei man jedenfalls nach wie vor stolz, und nach der Reinigungsaktion wolle man auch die sauberste Bib sein.

Nebenbei hält man wohl Kontakt zur UB in Bielefeld, die vor zwei Jahren das gleiche Schicksal ereilte. Man könne dort also auf deren Erfahrungswerte zurückgreifen.


Petra Hätscher (Direktorin der UB):
Die N-Bib (naturwissenschaftliche Bib) sei ab sofort 24 h geöffnet, dort seien auch Computer- und sonstige Arbeitsplätze verfügbar. Die dortige Infrastruktur könne genutzt werden.
Computer seien ferner im CIP-Pool in G 310 verfügbar, zumindest solange dort kein Unterricht stattfände.
Man sei ferner mit der HTWG in Kontakt, dort werde den Uni-Mitgliedern ein kostenloser Nutzerausweis mit Zugangsdaten (für die dortigen Rechner) zur Verfügung gestellt. Die PH Thurgau sei für den ein oder anderen Nutzer möglicherweise auch interessant.
Alle Drucker und Kopierer außerhalb der Bib seien weiterhin nutzbar. Man sei derzeit in Kontakt mit Canon und versuche kurzfristig weitere Kopierer/Drucker zu erhalten.

Alles was digital vorliegt solle verstärkt genutzt werden. Man verhandle mit Verlagen um die Bereitstellung von weiteren ebooks.
Die Fernleihe werde künftig erweitert, so dass auch Bücher die im Bestand der Uni seien, auch über die Fernleihe bestellt werden könnten.
Der Rückgabe und Mahnbetrieb laufe ganz normal weiter, dies gelte auch für Vormerkungen. Es solle künftig elektronisch sichtbar sein, welche Bücher vormerkbar und damit verfügbar seien.


Dr. Hannes Winter (Landratsamt Konstanz, Amt für Gesundheit und Versorgung):
Herr Winter stellte zu Beginn seiner Ausführungen klar, dass das was er zu sagen habe, auch weitgehend im Netz nachzulesen sei.
Daher verzichte ich auf eine Wiedergabe im Einzelnen, muss aber gestehen, auch wenn bisweilen der eine oder andere unfreiwillige Lacher dabei war, so richtig aufgemuntert haben mich die Aussichten aus gesundheitlicher Sicht nicht.
In aller Kürze:
Einen Grenzwert für Asbest gebe es nicht, theoretisch könne bereits eine Asbestfaser krebserregend sein.
Aber es sei ohnehin so, dass man ständig Asbest einatme...; Zitat: „Asbest ist ubiquitär“. Später stellte er klar: Auch außerhalb der UB sei in der Luft Asbest enthalten.
Für eine genauere Einschätzung seien weitere Informationen erforderlich, die durch weitere Messungen erhoben werden sollen.


Thomas Steiner (Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Konstanz):
Die Firma Geopro GmbH habe Untersuchungen angestellt bei denen 9 von 18 Kontaktproben eine Asbestbelastung ergebene haben. Die Proben habe man in verstaubten Ecken genommen.

Der Maßnahmenkatalog enthalte im Wesentlichen die folgenden Punkte:
1. Die Asbestquelle finden;
2. Eindämmen.
Es sei aber derzeit keine Aussage über die Dauer der Schließung möglich.


AStA:
Man wolle eine private Büchertauschbörse auf die Beine stellen.


Nun zu den Fragen und Antworten:

Wie sieht es aus mit Prüfungen, v.a. auch solche bei denen die Uni nicht der maßgebliche Ansprechpartner ist (Stichwort: Staatsexamen)?
Das wird noch besprochen, man kontaktiere z.B. auch das Landesjustizprüfungsamt.


Was ist mit den Gegenständen, die sich in den Bücherwagen befinden?
Die können herausgeholt werden. Hierfür soll man sich am Haupteingang der Bib melden, man wird dann von einem Mitarbeiter der Bibliothek zum Wagen geleitet.


Wie kann man Kopierkarten aufladen, die maßgeblichen Aufladegeräte befinden sich schließlich in der Bib...?
Im Buchbereich N (die naturwissenschaftliche Bib) kann man auch noch die Kopierkarten aufladen.
Zitat der zuständigen Dame: „Wir sind mit Canon am rumrennen.“


Was ist mit Asbest in anderen Bereichen der Uni?
Asbest ist in den 70ern viel verbaut worden, auch an der Uni. Deshalb gibt es auch einen „Astbestatlas“, aus dem ersichtlich ist, wo Asbest verbaut wurde.


Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld... Also: Wie sieht es mit der Finanzierung aus?
Die Finanzierungsfrage ist noch offen, da erstmal die Sofortmaßnahmen im Vordergrund stehen.


Was ist mit den Datenbanken, die nicht über WLAN verfügbar sind?
Das ist ein Problem der Lizenzverträge, das noch zu klären ist. Man befindet sich also in Verhandlungen.


Was ist mit den ausgeliehenen Büchern, sind diese auch mit Asbest verseucht?
Wenn Bücher benutzt werden, also in der Tasche rumgetragen oder man gar darin blättert (!), dann verteilt sich das Asbest in der Regel über die Raumluft, so dass man wohl davon ausgehen muss, dass die ausgeliehenen Bücher selber nicht mit Asbest belastet sind...
Sollte man dennoch entsprechende Befürchtungen haben, kann man die Bücher in einer Tüte abgeben, diese sollen dann gereinigt werden.


Normalerweise wäre die Uni und damit auch die Bib über Weihnachten geschlossen, ist es möglich, dass die Bib bis Weihnachten wieder benutzbar ist und dann über Weihnachten geöffnet bleibt?
Der zeitliche Ablauf (also die Frage, wie lange die ganze Asbestsituation andauern wird) ist bislang noch nicht abzusehen. Aber man prüft den Vorschlag.


Kann man die Bücher selber reinigen? Mit Staubsauger oder einem feuchten Tuch?
Nein. Ein Staubsauger ist für Asbest denkbar ungeeignet, da dieser alles verwirbelt und man die Situation nur verschlimmert. Und ein feuchtes Tuch könnte die Bücher beschädigen.


Werden die Messdaten der Asbestmessungen veröffentlicht?
Wohl ja (aber so richtig wollte sich auch keiner festlegen).


Gibt es Besonderheiten für Schwangere und Kinder?
Es gilt das, was für jeden anderen Betroffenen auch gilt. Denn die Fasern bleiben in der Lunge hängen, daher kann durch Stillen das Asbest nicht weitergegeben werden. Kinder können die Fasern aber genau so über die Lunge aufnehmen.


Es wird nochmals auf die Bib in Bielefeld verwiesen und die Frage, ob dort die Bib wieder arbeitet?
Ja, die Bib konnte sogar recht schnell wieder ihren Betrieb aufnehmen. Fraglich ist, ob man die Analogie hierzu ziehen kann, da es vielleicht nicht dieselbe Situation ist, aber Kontakt nach Bielefeld besteht.


Warum ist der Hinweis, den man bereits am 28.10. hatte, nicht an die Öffentlichkeit gelangt?
Das war zunächst nur ein Hinweis, aber in erster Linie wollte man keinen "Run" auf die Bucher verursachen.


Wie sehen die Fernleihemöglichkeiten aus?
Man ist mit anderen Bibliotheken im Lande in Kontakt, und die Fernleihe-Anfragen aus Konstanz sollen bevorzugt bearbeitet werden und v.a. sollen auch Präsenzbestände (Gelbpunktbücher) über die Fernleihe nach Konstanz gelangen.


Wo genau ist Asbest gefunden worden, also in welchen Bereichen der Bib?
In S und G. Im S-Bereich in verschiedenen Etagen auf Regalböden.
Nicht im J-Bereich.
(zu einem späteren Zeitpunkt der Befragung wird sich herausstellen, dass man im J-Bereich noch gar keine Asbestmessungen angestellt hat...)


Wie sieht es mit den Kosten für Fernleihe aus (derzeit 50 cent)?
Man hat entschieden, dass diese weiterhin erhoben werden, weil sonst möglicherweise Mehrfachbestellungen eingehen. Das ist gewissermaßen eine „Schutzgebühr“.


Wann wurden zum letzten Mal Untersuchungen angestellt?
Es bestand kein Anlass für Untersuchungen.
(... ist klar, sind ja auch nur überall „Achtung Asbest“-Aufkleber auf den Wänden!)


Was ist mit den an die Bib angrenzenden Räumen?
Es kommt darauf an, was die Quelle für die Asbestbelastung ist. Wenn diese gefunden wurde, wird man sehen, ob und welche Maßnahmen zu ergreifen sind.


Kann der KonDoc-Dienst aufrecht erhalten werden?
Nein. Man muss auf Fernleihe und subito ausweichen.


Was ist mit den Bib-Mitarbeitern?
Es gilt dasselbe wie für die übrigen Nutzer, die sich länger in der Bib aufgehalten haben. Inwiefern Vorsorge bzw. nachgehende Untersuchungen erforderlich sind wird man noch schauen müssen. Hierfür sind weitere Messungen erforderlich.


Was ist Messungen außerhalb der Bib?
Die Thematik wird bearbeitet, aber eigentlich sieht man keinen Anlass für Messungen außerhalb der Bib. Vor sechs Jahren hatte man im Rahmen einer PCB-Problematik die letzte Überprüfung und damals wurde keine Belastung festgestellt.


Muss man als Lehrstuhlinhaber, der hunderte Bände am Lehrstuhl hat seinen Mitarbeitern verbieten mit den Büchern zu arbeiten?
Die Bücher bleiben in Zirkulation.
Die Bücher wurden noch nicht gemessen. (!)


Ist der Status "Exzellenz-Uni" gefährdet?
Den Themenbereich kann man wohl vom Asbestproblem separieren...


Wie sieht es mit Staatsexamina usw. aus?
Siehe oben. Noch unklar.
Staatsexamen: offen


In wie weit hängt das Lüftungssystem an der Uni zusammen?
Die Bib hat eine eigene Lüftung, die ist abgestellt.


Kann man das J-Gebäude öffnen und separate Ein- und Ausgänge einführen, damit dieser Teil der Bib wenigstens genutzt werden kann?
Im J-Gebäude wurde noch nicht gemessen.
Es wird gemessen und geprüft.
(Das dürfte den aufmerksamen Leser erstaunen, wurde oben doch noch behauptet, dass der J-Bereich frei von Belastung sei...)


Wieviele Bücher werden zu welchem Zeitpunkt nachgekauft, woher kommt die Finanzierung?
Es werden schnellstmöglich die stark frequentierten Bücher bestellt, nicht aus Studiengebühren. Wie die Finanzierung genau von statten geht wird noch geklärt


Die Fragen der Beteiligten sollen gesammelt und auf der Uniseite veröffentlicht werden. (Endlich.)
Ende der Veranstaltung war um 11:18 Uhr.

Fazit: Es ist erstaunlich wie wenig man derzeit verlässlich sagen kann.
Das Geheimnis der Verantwortlichen wird auch bleiben, warum man die Informationsveranstaltung nicht NACH der für heute Mittag/Nachmittag angekündigten (internen) Krisensitzung veranstaltet hat. Immerhin hat man oftmals vertröstend auf diese Sitzung verwiesen.
Erschrocken war ich über die widersprüchlichen Angaben zum J-Gebäude. Zuerst hieß es, das Gebäude sei nicht belastet, später stellte sich heraus, dass man das noch gar nicht überprüft habe. Da darf man nur hoffen, dass die Verantwortlichen nicht nach dem Motto „Was ich nicht weiß macht mich nicht heiß“ handeln. Daher ist meines Erachtens auch dringend eine Überprüfung der anderen Bereiche der Universität erforderlich.
Was man jedoch verlässlich sagen kann ist: Krisen fördern die Kreativität. Und zwar die der Verantwortlichen, wie auch die der Nutzer. Die Verantwortlichen haben die ein oder andere, wie ich finde, ganz pfiffige Idee um die Unbill etwas zu mildern, aber machen wir uns nichts vor: Wenn man die Bücher braucht, braucht man die Bücher, alles andere ist Stückwerk.
Bei den Examenskandidaten und sonstigen Betroffenen darf man meines Erachtens keine falschen Erwartungen wecken. Staatsexamina wird man nicht verschieben. Die einzige Möglichkeit ist es vor Beginn der Examensklausuren zurückzutreten, aber damit ist dem Kandidaten nicht geholfen, denn dann ist zwar das Examen verschoben, aber die Lebenszeit ist weg.



Nachtrag, 23:58 Uhr: Man arbeitet offenbar nicht nur in Konstanz an Lösungen für die Zwischenzeit, so ist etwa die UB Stuttgart am Samstag geschlossen. Zumindest interpretiere ich die Mitteilung der UB Stuttgart in diese Richtung: "Hintergrund:
Ein Großteil unserer Datenbanken wird für uns vom BSZ gehostet. Wegen dringender Arbeiten an der zentralen Netzwerkanbindung in Konstanz sind diese Datenbanken in der genannten Zeit nicht erreichbar."

Sollte dem so sein, vielen Dank hierfür. Möglicherweise handelt es sich aber um einen elektronischen Schluckauf, der im Zuge der Bib-Schließung und als Folge der Vernetzung der Bibloitheken im Lande entstanden ist... in diesem Falle, sorry.

Nach-Nachtrag, 9.11.2010, 15:28 Uhr: Scheint doch nur ein Server-Aufall zu sein.
Siehe hierzu die Meldung der UB Konstanz:
"Am Samstag, 13.11.2010 sind von 11 bis 17 Uhr keine Fernleih-Bestellungen möglich.
Grund: Ausfall des Verbund-Fernleih-Servers wegen Hard- und Software-Arbeiten des Bibliotheksservice-Zentrums Baden-Württemberg."

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