Chronistenpflicht.
Dieses Wort, welches Olli vom Schorleblog gerne benutzt, geht mir immer wieder bei dem heutigen Datum durch den Kopf. Allerdings passt der Begriff der Chronistenpflicht nur zur Hälfte. Denn die Chronistenpflicht betrifft die Außenwelt, die andere Hälfte richtet sich an die Innenwelt. Im wesentlichen Bedauere ich es, dass ich vor zehn Jahren meine Gedanken nicht festgehalten habe. Möglicherweise geht dieser Blogeintrag bereits schon jetzt in Richtung Belanglosigkeit. Aber ich versuche es dennoch:
Der 11. September jährt sich wieder ein Mal. Zehn Jahre ist es nun her. Der 11. September 2001 war ein Ereignis, das das 21. Jahrhundert eingeläutet hat. Es bedarf folgend auch keiner Superlative. Jeder, egal ob er damals schon bewusst das Weltgeschehen erlebt hat oder nicht, hat die Bilder irgendwann gesehen und kann dieses Ereignis in etwa einordnen.
Aus meiner persönlichen Perspektive folgte dem 11. September 2001 ein Jahrzehnt in dem ich vielleicht nicht erwachsen, aber doch alt geworden bin. Wie so viele meiner Leser auch.
In Anlehnung an das Attentat auf John F. Kennedy wird oft besprochen wo man zu dem Zeitpunkt war. Was das zur Sache tut, habe ich nie verstanden, aber der Vollständigkeit halber: Ich war Zuhause. Vor dem Fernseher. Wie der gefühlte Rest der Welt auch.
Zehn Jahre sind eine lange Zeit und dennoch vergehen sie schnell. Durch die Eigenheiten der menschlichen Wahrnehmung muss dies kein Widerspruch sein. Den Grundlevel an Schrecken vergisst man nicht. Details schon. Ich zumindest. Für mich ist nicht so, als wäre es Gestern gewesen. Dafür habe ich zu viel vergessen, zu viel verdrängt. Vielleicht ist das gut so.
Die USA hatten mit George W. Bush den denkbar schlechtesten Krisenmanager (nicht) gewählt (nebenbei: deshalb werde ich Al Gore immer verachten, hätte er die scheinbare Niederlage damals nicht akzeptiert, wäre möglicherweise vieles anders gekommen; nebenbei Teil 2: umso unglaublicher, dass jemand wie George W. Bush bei der folgendenden Wahl wohl wirklich gewählt wurde.).
Der Schrecken fand auf so vielen Ebenen die Möglichkeit sich auszubreiten:
- die Menschliche (die unmittelbaren Opfer)
- die Persönliche (inwieweit würde es mich und die Menschen die mir nahe stehen betreffen?)
- die Zeitgeschichtliche (eine Zeitenwende stand offensichtlich an, mit allen Unwägbarkeiten und Schrecken)
- die abstrakte menschliche Ebene (es würde mehr Blut fließen, nicht zuletzt das Blut derer, die mit dem Anschlag nichts zu tun haben)
- und sicherlich noch mehrere Ebenen, die ich jetzt nicht überrissen habe. Das möge der Leser für mich tun.
Viele der folgenden Ereignisse konnte man bereits an diesem Tage vorhersehen. Klar war damals bereits, dass Blut fließen und es sicher auch Krieg geben würde (s.o.). Egal gegen wen. Irgendwer musste bezahlen. Diese schrecklichen Automatismen verschrecken mich noch heute bis ins Mark. Das sind die gleichen Automatismen die auch Weltkriege ermöglichen. Die folgenden zehn Jahre wurden zwar anderthalb Stufen tiefer gekocht, ich bin mir aber nicht sicher, ob uns dies beruhigen muss.
Apropos, ich weiß nicht was es über mich aussagt, aber am 11. September 2001 selbst, und den diesem Datum folgenden Wochen, habe ich mir die folgenden Jahre zumindest im Großenganzen noch deutlich düsterer ausgemalt, als es letztlich -bisher- geschehen ist. Nicht im Sinne der Vorahnung eines Weltkrieges, mehr im Sinne einer düsteren Vorahnung, dass Leute die zu derartigen Anschlägen fähig sind alles zuzutrauen ist und man auch mit allen Möglichkeiten reagieren wird.
Andererseits, im Detail ereigneten sich schreckliche Dinge, die ich mir in meinen schlimmsten Albträumen nicht auszumalen vermochte.
Weiterhin ist Geschichte ein Prozess und der sich derzeit abzeichnende Niedergang der USA geht sicher auch auf die Fehlentscheidungen, die dem 11. September folgten, zurück.
Im Rückblick erschreckt mich am 11. September -jenseits einzelner Schicksale- am meisten und nachhaltigsten wie es die USA binnen kürzester Zeit geschafft haben, die Sympathie und Empathie, die man der ganzen Nation entgegen gebracht hat, zu verspielen.
Ich kann es bis heute nicht fassen.
Sonntag, 11. September 2011
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